Warum sollte Carolin Emcke als erste Frau ins Schloss Bellevue?
Ich lasse jetzt mal alle bisher geübte Neutralität sausen. Fein austariert habe ich bisher einen bunten Strauß an Kandidatinnen für das Schloss Bellevue vorgestellt. Da war für jede politische Gesinnung in diesem Land, von AfDlern, Nazis und Verschwörungstheoretikern mal abgesehen, etwas dabei. Manche Kandidatinnen mochte ich mehr, andere weniger. Wichtig war und ist es mir, sie alle vorzustellen, klarzumachen: natürlich gibt es ausreichend Kandidatinnen für das Schloss Bellevue. Selbstverständlich! Heute mache ich eine Ausnahme. Denn ich habe soeben, mit einer Männergrippe auf der Couch sitzend, meine Ideal- und Traumbundespräsidentin eine Rede halten hören. Eine Rede, die so prägnant, so überfällig war, dass sie selbst meine von Erkältungsviren verstopften Gehörgänge wieder öffnen konnte.
Carolin Emcke sprach offen und mitreißend, von Herzen und mit Verstand, einfühlsam und kämpferisch. Sie machte klar, was Freiheit bedeutet – „Freiheit ist nichts, dass man besitzt, sondern etwas, das man tut“ –, was die Ausgegrenzten in dieser Gesellschaft verbindet – „die Zugehörigkeit zur Nicht-Zugehörigkeit“ –, wie abstrus der Umgang mit Minderheiten ist – „wir dürfen Reden halten in der Paulskirche, aber heiraten und Kinder adoptieren dürfen wir nicht?“ –, wozu der Fanatismus führt – „ausgrenzender Fanatismus beschädigt nicht nur die, die er sich zum Opfer sucht, sondern alle.“
Carolin Emcke ist die Art Bundespräsidentin, die unsere Zeit braucht. Eine, die sich klar, eindeutig und unerschrocken dem wieder aufkeimenden Fanatismus und Hass in dieser Gesellschaft entgegenstellt. Eine, die als Mitglied einer – immer noch diskriminierten – Minderheit in diesem Land ein Zeichen wäre, dass jede und jeder, wirklich alle ein Teil dieses Landes, dieser Gesellschaft sind, egal ob sie Männer oder Frauen lieben, ob oder an wen sie glauben, ob sie rote Haare oder eine braune Haut haben, ob sie Lisa oder Ahmed heißen. Eine, deren Wahl eine klare Botschaft wäre: ja, dieses demokratische Deutschland ist wehrhaft.
Normalerweise führe ich im Folgenden noch die biographischen Stationen der Kandidatinnen auf, statt dessen verweise ich einfach auf folgende Links und plädiere ansonsten einfach mal ihren Namen zu googeln, ihre Reden und Texte zu lesen:
Carolin Emckes Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises 2016
Persönliche Website von Carolin Emcke
Wikipedia-Eintrag über Carolin Emcke
Deine Meinung zu Carolin Emcke: